Am Mittwoch wurden wir zu einem Afterwork-Workshop unseres langjährigen Partners Jacobsen & Confurius eingeladen. Die Kanzlei begleitet unser Netzwerk bereits seit vielen Jahren als Partner und steht uns in jeglichen arbeitsrechtlichen Themen unterstützend zur Seite. Entsprechend vertraut war die Atmosphäre. Gleichzeitig haben wir auch etwas Neues ausprobiert, ein hybrider Workshop.
Inhaltlich lag der Fokus klar auf praxisnaher Vermittlung:
Was bedeutet Mitbestimmung konkret?
Wo beginnt sie, wo endet sie?
Und wie navigiert man als Arbeitgeber sicher durch die gesetzlichen Anforderungen?
Struktur des Betriebsverfassungsrechts – Grundlagen und Relevanz
Zu Beginn ging es um den Aufbau des Betriebsverfassungsrechts. Die Gliederung wurde nachvollziehbar vermittelt und diente als Orientierung für den weiteren Verlauf. Besonders betont wurde die Abgrenzung zwischen Informationsrechten, Beratungsrechten und echten Mitbestimmungsrechten.
- Informationsrecht: Frühzeitig, wahrheitsgemäß und vollständig informieren.
- Beratung / Konsultation: Austausch mit dem Betriebsrat, aber ohne zwingenden Einfluss auf die Entscheidung.
- Mitbestimmung (§ 87 BetrVG): Maßnahmen dürfen erst umgesetzt werden, wenn eine Einigung erzielt wurde oder alternativ die Einigungsstelle entscheidet.
Grundsätzlich gilt: Je dichter die Maßnahme an den Kernbereich der unternehmerischen Freiheit rückt, desto mehr müssen Mitbestimmungsrechte zurücktreten.
Wirtschaftsausschuss & Ehrenamt – Pflichten und Realität
Der Workshop griff außerdem die Rolle des Wirtschaftsausschusses auf: Ein Gremium, das zwar Zugang zu vielen Informationen hat, aber keine weitreichenden Mitbestimmungsrechte hat.
Ehrenamtsprinzip der Betriebsratsarbeit: Betriebsratsmitglieder sollen für ihre Aufgaben freigestellt werden, ohne dass dies ihre Vergütung oder berufliche Entwicklung negativ beeinflusst. Sie gelten in dieser Zeit als arbeitend und müssen entsprechend berücksichtigt werden.
Einigungsstelle – Ablauf, Kosten und Bedeutung
Die Einigungsstelle wurde als zentrales Konfliktlösungsinstrument erläutert:
- Sie kann von beiden Seiten einvernehmlich eingerichtet oder über das Arbeitsgericht eingesetzt werden.
- Ein Eilverfahren dauert ca. 6–10 Wochen.
- Die Kosten für die Sitzungen der Einigungsstelle sind nicht trivial
Der klare Rat der Experten: Einigungsstelle ist sinnvoll, aber kein Routineinstrument. Gute Vorbereitung und frühe Abstimmung vermeiden unnötige Kosten.
Software-Einführung: Mitbestimmung richtig gestalten
Ein besonders praxisnahes Thema war die Einführung neuer Software, ein Klassiker in HR-Projekten.
Dabei wurde auf eine mögliche Rahmenvereinbarung mit Steckbrief hingewiesen, die einen regulierten Ablauf für die Einführung und Transparenz schafft:
- Was macht die Software?
- Welche Daten verarbeitet sie?
- Ist eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle möglich oder gar beabsichtigt?
Ein wichtiges Prinzip: Mitbestimmungspflicht besteht immer dann, wenn Leistung und/oder Verhalten von Mitarbeitenden überwacht werden könnten. Auch Updates und Systemänderungen sollten dokumentiert und eingeordnet werden.
Außerdem interessant: Das häufig vereinbarte Verbot der Verwendung von Daten, die entgegen den Regelungen einer Betriebsvereinbarung erhoben wurden, ist so pauschal nicht immer rechtlich haltbar.
Eine klare Aussage blieb hängen: „Datenschutz ist kein Tatenschutz.“
Arbeitszeitregelungen & Remote Work
Arbeitszeit und Flexibilität bleiben Dauerbrenner, auch im rechtlichen Kontext.
Arbeitszeitregelung:
Bevor der Betriebsrat involviert wird, sollte der Arbeitgeber hausintern Klarheit schaffen. Besonders:
- Überstunden sollten sauber und rechtskonform geregelt sein.
- Freizeitausgleich kann auch der Arbeitgeber anordnen, d.h. dieser kann auch zum Ausgleich von Schwankungen in der Auslastung genutzt werden.
Remote Work:
Die Botschaft: Ob Remote gearbeitet werden kann, ist nicht mitbestimmungspflichtig, aber das wie. Da die Regelungen noch sehr neu sind, sind einige Fragen noch nicht abschließend geklärt, z.B. ob die Frage nach der Anzahl der Tage Remote-Work ein „Ob“ oder ein „Wie“ sind.
KI und Automatisierung – neue Grauzonen
Beim Thema KI wurde deutlich, dass wir uns im Übergang befinden:
- Ähnlichkeiten zu IT-Systemen sind vorhanden, aber oft komplexer.
- Wichtig ist die Einstufung nach Zweck und Wirkung.
- Entscheidender ist, Arbeitsabläufe transparent zu beschreiben, potenzielle Auswirkungen zu dokumentieren und Risiken korrekt einzuordnen.
Interessenausgleich & Sozialplan – was wir als HR kennen müssen
Der letzte Teil widmete sich zwei zentralen Themen bei größeren Veränderungsprozessen:
Interessenausgleich
Er greift bei geplanter, wesentlicher Änderung der Betriebsorganisation. Der Arbeitgeber beschreibt, was er plant, sachlich, vollständig und schriftlich.
Eine Umsetzung der Maßnahmen ist erst möglich, wenn der Interessenausgleich mit dem BR vereinbart wurde oder die Einigungsstelle feststellt, dass weitere Einigungsversuche dazu nicht sinnvoll sind.
Sozialplan
Ein Sozialplan legt fest, wie wirtschaftliche Nachteile aus einem Interessenausgleich für Mitarbeitende ausgeglichen oder gemildert werden sollen, etwa bei Restrukturierungen, Standortschließungen oder Personalabbau. Er ist eine verbindliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Achtung: In der Insolvenz gelten abweichende Regeln.
Fazit: Wertvolles Wissen, gute Diskussionen und starke Partnerschaft
Der Workshop zeigte deutlich, wie wertvoll es ist, erfahrene Partner an der Seite zu haben. Justus Leddin schafft es immer wieder, selbst komplexe Themen greifbar zu machen, ohne juristische Abkürzungen, aber mit großer Praxisnähe.
Für uns HR-ROOKIES war es die perfekte Mischung aus Grundlagen, Realbeispielen und Raum für Fragen. Die hybride Durchführung, der persönliche Rahmen und die offene Atmosphäre trugen dazu bei, dass Lernen leicht fiel.
Ein gelungener Abend und ein weiterer Baustein auf dem Weg, betriebsverfassungsrechtlich sicher unterwegs zu sein.
Vielen Dank lieber Justus
